Der ehrbare Kaufmann – Unternehmensverantwortung „light“?

Thomas Manns Meistererzählung „Die Buddenbrooks“ lobt den „ehrbaren Kaufmann“. Angesichts von Finanzkrise und Wirtschaftsskandalen erscheint dieser manchen als ein Leitbild für Wirtschaftslenker der Gegenwart. Doch Märchenstunden für das Management können in die Irre führen. In dem Konzept sind „Ursachenbeschreibung“ und „Therapievorschlag“ zu einfach.

 

Manns Meistererzählung um den Aufstieg und Fall einer hanseatischen Kaufmannsfamilie im 19. Jahrhundert transportiert auch dessen Melancholie über das Ende einer Epoche. Noch ehe die Moderne angebrochen ist, wirken die Buddenbrooks überlebt, der neuen Welt nicht gewachsen. Umso erstaunlicher ist es, dass über 100 Jahre später aus dieser Melancholie eine Forderung nach der Renaissance des „ehrbaren Kaufmanns“ erwächst.

 

In den letzten Jahren sind Rufe laut geworden, man möge sich angesichts zahlreicher Skandale und des geringen Vertrauens in die Wirtschaft am „Leitbild des ehrbaren Kaufmanns“ orientieren. In Reden, Artikeln und im Internet werden die Tugenden dieser Figur gelobt: Fleiß, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit etwa. Diese und andere (Wirtschafts-) Tugenden, gepaart mit einer humanistischen Grundbildung und wirtschaftlichem Fachwissen, ließen sich vom Mittelalter bis in die Gegenwart immer wieder nachweisen, seien also gleichsam „zeitlos“ gültig.

 

Der Vorschlag ist ebenso sympathisch wie einfach, und dies sind wohl die Hauptgründe für die Attraktivität der Metapher. Wir alle wünschen uns tugendhafte Menschen. Und wenn wir über moralische Probleme und ihre Beseitigung in der Wirtschaft nachdenken, dann ist selbstredend klar, dass die moralischen Orientierungen von Personen (Unternehmer, Manager, alle Mitarbeiter) – in der Wissenschaft spricht man von Individualethik – für wirtschaftsethische Fragen wichtig sind.

 

Uns sind sowohl die „Ursachenbeschreibung“ und der daraus resultierende „Therapievorschlag“ zu einfach. Der „ehrbare Kaufmann“ ist kein Konzept, mit dem es weitblickend gelingen kann, Verantwortung in der Wirtschaft zu realisieren.

 

Quelle: Thomas Beschorner und Thomas Hajduk, csr-news