Die CSR-Berichtspflicht: Fluch oder Segen?

Die CSR-Berichtspflicht kommt: Bis zum 6. Dezember 2016 müssen EU-Mitgliedsstaaten die
Richtlinie in ihr nationales Recht überführen. Was bedeutet das für Non-Profit-Organisationen?

Zunächst betrifft die CSR-Berichtspflicht Unternehmen, und zwar solche mit mehr als 500 Mitarbeitern. Sie sind ab 2017 dazu verpflichtet, ihre nichtfinanziellen Aktivitäten
in einem Bericht zu veröffentlichen – also Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung. „Der CSR-Bericht soll die wesentlichen Risiken beschreiben, die mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens verknüpft sind“, erklärt Hugo W. Pettendrup, Geschäftsführer von HP-FundConsult, einem Beratungsunternehmen zwischen Profit und Non-Profit. „Die Unternehmen sollen darlegen, wie sie diese Risiken handhaben.“ Er freut sich über die Berichtspflicht: „Die Einführung einer solchen Richtlinie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

 

Des einen Freud, des anderen Leid

 

Michael Pieck, Pressesprecher der IHK Bonn/Rhein-Sieg, sieht das kritisch: „Viele kleine und mittelständische Unternehmer, die zu uns kommen und sich beraten lassen, sind irritiert, wenn sie hören, dass sie sich zu den Themen ‚Achtung der Menschenrechte‘ und ‚Bekämpfung von Korruption und Bestechung‘ rechtfertigen sollen.“ Er meint, dass viele Unternehmen die Motivation für ihre CSR-Aktivitäten so verlieren und die Berichtspflicht kontraproduktiv sein könnte. Hugo W. Pettendrup sieht das anders. Seiner Meinung nach betreiben viele Unternehmer bereits CSR im Selbstverständnis eines ehrbaren Kaufmanns – teilweise ohne sich dessen so wirklich bewusst zu sein oder gar die Öffentlichkeit einzubeziehen – und werden dies auch weiterhin tun. Mit der CSR-Berichtspflicht bekommen sie die Gelegenheit, ihr Handeln systematisch aufzubereiten und sich entsprechend zu positionieren.

 

Vorteile für NGO

 

Für Non-Profit-Organisationen ist die CSR-Berichtspflicht eine Bereicherung, meint Michael Pieck: „Organisationen können leichter Informationen über Unternehmen bekommen und so herausfinden, ob diese zu ihnen passen. Der Haken: Bisher ist nicht klar, wer überhaupt den Wahrheitsgehalt der Berichte überprüft und wie das geschieht.“ Pettendrup ergänzt: „Mögliche Anknüpfungspunkte für Kooperationen werden sichtbarer. Weiterhin wird in vielen Fällen deutlich, in welchen Bereichen die Unternehmen noch Optimierungs- und Beratungsbedarf haben. Gemeinnützige Organisationen können ihr jeweiliges Knowhow, beispielsweise bei Umweltfragen, anbieten und den Unternehmen als Partner zur Seite stehen. Für Fundraising-Aktivitäten erwachsen auf diese Weise neue Potenziale und Schnittstellen.“

 

Die CSR-Berichtspflicht ist für NGOs also ein guter Anlass, sich im CSR-Bereich „Organisationen können leichter Informationen über Unternehmen bekommen und so herausfinden, ob diese zu ihnen passen und für Kooperationen auf Augenhöhe gewinnen können.

IHK-Pressesprecher Pieck warnt allerdings vor zu viel Aktionismus: „Nutzen Sie als Organisation die Berichtspflicht nicht als Druckmittel – das kommt nicht gut an. Versuchen Sie lieber, positiv an das Unternehmen heranzutreten, indem Sie zum Beispiel fragen, ob es bereits im Sinne einer CSR tätig ist und/oder Bedarf hat und ob Sie ein Projekt vorstellen dürfen.“ Pieck hat außerdem noch einen Tipp für die Unternehmensrecherche: „Die Organisationen, die zu uns kommen, fragen uns immer nach einer Liste von Unternehmen, die Kooperationen eingegangen sind. Sie sollten sich aber vielmehr fragen: Welches Unternehmen will ich ansprechen? Welche Branche? Welche Größenordnung? Besteht schon ein Kontakt? Und ganz klar: Unternehmen, die jetzt schon einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, haben vermutlich schon genügend Partner. Die anderen dagegen können auf den Bericht vorbereitet werden und stehen möglicherweise bald als Partner zur Verfügung.“ Für alle Fragen rund um das Thema CSR sowie zur Kontaktanbahnungzwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen und Organisationen hat die IHK Bonn/Rhein-Sieg vor Kurzem ein CSR-Kompetenzzentrum eröffnet. Erweiterung auf kleinere Unternehmen ist nicht ausgeschlossen Wie wird es mit der CSR-Berichtspflicht weitergehen?

Es ist denkbar, dass sie auf Unternehmen ab 250 Beschäftigten ausgeweitet wird – möglicherweise fällt die Untergrenze irgendwann sogar ganz weg. Vor zu viel Bürokratie und Aufwand müssen die Unternehmen aber keine Angst haben, denn, so Pettendrup: „Sie können sich an internationalen, europäischen oder nationalen Leitlinien orientieren, z. B. Global Compact, Global Reporting Initiative (GRI), OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, ISO 26000 etc. Eine vielversprechende Lösung bietet der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) mit dem sogenannten Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) an. Dieser beschreibt Mindestanforderungen und bietet somit einen Rahmen für die Berichterstattung zu nichtfinanziellen Leistungen, der von Unternehmen und Organisationen jeder Größe und Rechtsform angewendet werden kann, und erfüllt bereits jetzt die ab 2017 geltende EU-Berichtspflicht.“ Der entscheidende Vorteil dabei: Der DNK hat die 20 wesentlichen Kriterien und ausgewählte quantifizierbare Leistungsindikatoren festgelegt, und die Unternehmen müssen dazu lediglich eine Entsprechungserklärung erstellen.

 

Berichtspflicht auch für Organisationen?

 

Wie sieht es mit einer CSR-Berichtspflicht für Organisationen aus? Denkbar, sagt Pettendrup. Viele große und mittlere Organisationen sind verantwortlich für eine hohe Zahl von Projekten und Menschen und verfügen über ein großes Spendenvolumen. „Diese NPOs sind daher oft vergleichbar mit Unternehmen und haben ähnlich große Wirkungskreise im Themenfeld Nachhaltigkeit. Einige Organisationen gehen schon freiwillig diesen Weg und weitere werden mit Sicherheit folgen.“ Auch Michael Pieck befürwortet eine solche CSR-Berichtspflicht für Organisationen, aber auch für die öffentliche Hand: „Ein gutes Beispiel sind Ausschreibungen: Da sollten Zuschläge nicht nur nach der Höhe der Kosten vergeben werden – weder in Organisationen noch in Unternehmen.“ Das fördert nämlich Dumpinglöhne bzw. -preise, was nicht im Sinne einer CSR ist, die eine faire Bezahlung von Arbeit fordert.

 

Ob die CSR-Berichtspflicht eine Auswirkung auf das allgemeine CSR-Verhalten haben wird? Grundsätzlich ist dies möglich, meinen die Experten, denn die Berichtspflicht erzeugt Aufmerksamkeit. Allerdings entsteht echte Corporate Social Responsibility in den Herzen und Köpfen der Unternehmer: Wer nachhaltig und sozial handeln will, der wird dies auch unabhängig von einer CSR-Berichtspflicht tun. Schließlich führt nicht die Berichtspflicht zur gelebten Verantwortung, sondern die gelebte Verantwortung ermöglicht erst den Bericht.
Viktoria Lehr

(Erschienen in “FUNDStücke, Das Mitgliedermagazin des Deutschen Fundraisingverbandes, 1/2016, S. 13-14)