Die Freie und Hansestadt Hamburg ist beim Klimaschutz auf einem guten Weg, opfert aber immer mehr Flächen für neue Straßen und Siedlungen. Das sind zwei Ergebnisse des Mitte Januar veröffentlichten Nachhaltigkeits-Checks des Hamburger Zukunftsrates, einer lokalen Nichtregierungsorganisation, in der sich mehr als hundert Initiativen, Kammern, Institute und Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit stark machen. Den sogenannten HEINZ-Bericht (Hamburger Entwicklungs-INdikatoren Zukunftsfähigkeit) veröffentlicht der Zukunftsrat seit 2003 jährlich. Er zeigt, wie weit die Hansestadt auf nachhaltigen Pfaden wandelt. In anderen größeren deutschen Kommunen gibt es solche regelmäßigen Nachhaltigkeitsbilanzen nicht. Warum eigentlich? Jochen Menzel, Sprecher des Hamburger Zukunftsrates und einer der HEINZ-Initiatoren, sagt, dass zumindest in Hamburg die Kommunalpolitik „kein Interesse daran hat, ihre Nachhaltigkeitspolitik selbst systematisch auf den Prüfstand zu stellen“. Eine eigene Nachhaltigkeitsbilanz stellt die Stadt nicht auf. „Obwohl sie das viel besser könnte als wir“, so Menzel. Die Stadtverwaltung verfüge über alle nötigen Daten, nutze die auch für die Sozial- oder Umweltplanung, füge diese aber zu keinem Gesamtbild zusammen. Wichtig für diese Gesamtschau, meint Menzel, sei eine Nachhaltigkeitsstrategie mit Zielen und Indikatoren zu deren Überprüfung. Und über die verfüge Hamburg nicht.
Auch bundesweit sind kommunale Nachhaltigkeitsstrategien rar gesät, folgt man einer Untersuchung der Lüneburger Leuphana Universität aus dem Jahr 2010. Demnach berichten nur 80 von 12.000 untersuchten Kommunen über ihre Nachhaltigkeit; mehrheitlich süddeutsche Städte und Gemeinden. Einige von ihnen hat der Volkswirt Volker Teichert von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg begleitet. „Zwischen 2000 und 2005 gab es einen kleinen Boom in Sachen kommunaler Nachhaltigkeitsstrategien“, sagt er. Der sei aber wieder abgeflacht. Und von den Städten und Gemeinden, die berichteten, hätten das 80 Prozent nur einmal getan, was Leistungsvergleiche über mehrere Jahre unmöglich mache. Teichert schätzt, dass sich der Anteil berichtender Kommunen bundesweit im Promillebereich bewegt.
Dem widerspricht Stefan Kuhn vom internationalen Kommunalverband ICLEI – Local Governments for Sustainability. Er sagt, man müsse unterscheiden zwischen dem Willen zur Nachhaltigkeit und der Erfolgsmessung. „Der Wille“, sagt er, „ist in deutschen Kommunen vorhanden“. Die meisten größeren Städte hätten ein Nachhaltigkeitsleitbild oder sogar eine Strategie. Anders sei das mit den Bilanzen. Die zu erstellen falle ihnen schwer, weil sie auf keinen anerkannten, mit vertretbarem Aufwand zu erhebenden und aussagekräftigen Indikator zurückgreifen könnten: „Zum Messen der wirtschaftlichen Entwicklung gibt es das Bruttoinlandsprodukt, das trotz aller Schwächen in der Öffentlichkeit als Fieberkurve wahrgenommen wird.“ Für die Nachhaltigkeit gebe es so ein Thermometer nicht.
Die Politik sollte nach Ansicht Kuhns deswegen auf die Entwicklung und Einführung eines tragfähigen Nachhaltigkeitsindikators drängen. Heute, sagt er, müssten Städte, die ihre Nachhaltigkeit bilanzieren wollten, sich erst auf Messgrundlagen einigen. Das führe oft zum Zwist in der Lokalpolitik, mit dem Ergebnis, das nicht bilanziert wird. „Ein anerkannter, für die Kommunen handhabbarer Indikator könnte das ändern“, so Kuhn. Der Heidelberger Volkswirt Teichert wirbt für eine gesetzliche Pflicht zur kommunalen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Lägen solche Berichte erst für mehrere Jahre vor, ließen sich Trends und Entwicklungen nachzeichnen. Wichtig, sagt er, sei es, kommunale Nachhaltigkeits-Checks wie den in Hamburg nicht dem Engagement Einzelner anheimzustellen. Dieses Engagement sei zwar gut. „Bricht es weg, tappt man wieder im Dunkeln.“ (Quelle: Rat für Nachhaltige Entwicklung)