Zur Situation des deutschen Spendenwesens im Jahr 2018

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem BBE Newsletter (s.u.) und dokumentiert wichtige Entwicklungen des deutschen Spendenwesens im zu Ende gehenden Jahr 2018. Dabei schließt er an die Informationen des im Dezember vergangenen Jahres erschienenen Spenden-Almanachs 2017 an.

 

 

Die statistischen Erkenntnisse zur Spendenentwicklung in Deutschland sind nach wie vor lückenhaft, die einzelnen Erhebungen bedienen sich zudem unterschiedlicher Methoden und kommen somit auch zu teils deutlich voneinander abweichenden Resultaten. Der Zahlenteil dieser Situationsbeschreibung bildet die vorhandenen Teile des Mosaiks ab und setzt sie so zueinander in Beziehung, dass zumindest ansatzweise ein Gesamtbild erkennbar wird. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hat auch im Jahr 2018 weiter intensiv an den Beratungen im »Forum Zivilgesellschaftsdaten« mitgewirkt, das im September 2016 unter dem Dach der ZiviZ gGmbH beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. etabliert worden ist. Dem Forum gehören neben dem DZI und ZiviZ neun weitere Organisationen, Unternehmen und Institutionen an, die Dauerberichterstattung zu zivilgesellschaftlichen Themen durchführen. Im Januar 2019 wird als gemeinsame Publikation der im Forum Zivilgesellschaftsdaten kooperierenden Institutionen der »Datenreport Zivilgesellschaft« veröffentlicht. Er stellt die wichtigsten Einzelerhebungen zu Strukturen und Leistungen zivilgesellschaftlicher Organisationen erstmals in einer umfassenden Synthese dar und setzt sie mit tiefergehenden Analysen auch zueinander in Beziehung. Mit ihrer Bereitschaft zur gemeinsamen Erarbeitung dieses Reports beweisen die daran beteiligten Einrichtungen ihre Offenheit für den kritisch-konstruktiven Austausch untereinander und für ein gemeinsames Vorgehen im Sinne eines besseren Verständnisses für die Arbeitsbedingungen und die Leistungen der Zivilgesellschaft in der Öffentlichkeit.

 

 

1. Spendenentwicklung – Trends, Quote und Internationales

Folgt man der Datensammlung »Spendenjahr 2018: Trends und Prognose«, die Ende November 2018 vom Dachverband Deutscher Spendenrat e.V. und der GfK SE vorgelegt wurde, so hat sich das Spendenaufkommen von Januar bis September 2018 gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutlich erhöht (+ 6 Prozent). Dies ist auch deshalb eine sehr positive Entwicklung, weil es im entsprechenden Zeitraum im Jahr 2018 keine umfangreicheren Sonderspenden aus einem bestimmten, von den Medien breit rezipierten Anlass gegeben hat. Im Unterschied dazu waren gemäß einer abschließenden Umfrage des DZI vom August 2018 im Jahr 2017 rund 92 Millionen Euro für die von der Hungersnot in Ostafrika betroffenen Menschen gespendet worden.

Der Deutsche Spendenrat e.V. und die GFK SE stellen in ihrer Erhebung »Spendenjahr 2018« auch heraus, dass das erhöhte Spendenvolumen in den ersten drei Quartalen von einer nochmals gesunkenen Zahl von Spenderinnen und Spendern aufgebracht worden ist. Mit 24,5 Prozent sei deren Anteil an der Gesamtbevölkerung (ab 10 Jahre) auf den niedrigsten Wert in der 2005 begonnenen Erhebung gesunken. Betrachtet man die Werte etwa der zurückliegenden zehn Jahre allerdings genauer, so lässt sich auch feststellen, dass neben dem Minimum von 24,5 Prozent (Januar bis September 2018) und drei auf Sonderfaktoren zurückzuführenden »Ausreißern« nach oben von 27,1 Prozent (Januar bis September 2015, Spenden für Nepal und Geflüchtete in Deutschland), 27,8 Prozent (Januar bis September 2013, Flut Deutschland, Taifun Haiyan) und 29,6 Prozent (Januar bis September 2010, Flut Pakistan, Erdbeben Haiti) die Spenderquote ansonsten nur Werte im Bereich von 25 bis 26 Prozent aufweist und somit letztlich als verhältnismäßig stabil bewertet werden kann.

 

 

Diese Einschätzung findet sich auch bestätigt, wenn man die internationale Erhebung der Spenderquote berücksichtigt, die seit dem Bezugsjahr 2009 der online kostenfrei abrufbare WORLD GIVING INDEX der britischen Charities Aid Foundation (CAF) dokumentiert. Berichts- und Erhebungsjahr weichen hier jeweils um ein Jahr voneinander ab. Die Daten des im Oktober 2018 veröffentlichten World Giving Index 2018 wurden im Jahr 2017 durch das Meinungsforschungsinstitut Gallup in 146 Staaten weltweit erhoben. In Deutschland ist danach die Spenderquote in der Bevölkerung (ab 15 Jahre) 2017 mit 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben. Im achtjährigen Vergleich (2009-2017) schwankt die deutsche Spenderquote gemäß World Giving Index zwischen 42 Prozent und 58 Prozent, wobei die drei jüngsten Bezugsjahre 2015, 2016 und 2017 mit 58, 55 und nochmals 55 Prozent sogar die höchsten Werte der Zeitreihe aufweisen. Damit ist die Spendenbeteiligung in Deutschland zwar immer noch geringer als etwa in Großbritannien (2017: 68 Prozent), den Niederlanden (66 Prozent), Norwegen (65 Prozent), den USA (61 Prozent) oder der Schweiz (60 Prozent), nimmt aber im Feld der 146 untersuchten Staaten mit Platz 19 einen hohen Rang ein.

 

 

2. Spendenentwicklung – Geldspendenvolumen

Die privaten Haushalte haben in Deutschland den Berechnungen des DZI zufolge im Jahr 2017 etwa 8,1 Mrd. Euro Geldspenden für gemeinnützige Zwecke geleistet und somit 4,1 Prozent mehr als 2016 (7,7 Mrd.). Diese Hochrechnung stützt sich auf den DZI Spenden-Index und auf Berechnungen des Spendenvolumens privater Haushalte, die das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 2011 für das Bezugsjahr 2009 veröffentlicht haben. Das DIW hat das Geldspendenvolumen auf Basis der neueren SOEP-Daten für 2014 in öffentlichen Äußerungen bereits mit 8 Mrd. Euro angegeben. Da hierzu aber bisher keine umfassende wissenschaftliche Studie vorliegt, bezieht sich das DZI mit seinen Hochrechnungen zunächst weiter auf die Veröffentlichungen von WZB und DIW aus dem Jahr 2011. Eine Aktualisierung der Berechnung plant das DZI in Zusammenarbeit mit dem DIW für das Jahr 2019. Im Ergebnis dürfte sich die DZI-Berechnung des Spendenvolumens privater Haushalte dadurch auf derzeit deutlich über 9 Mrd. Euro erhöhen.

Für den nach wie vor bestehenden Unterschied zu dem von Spendenrat und GfK angegebenen Spendenvolumen (2017: 5,2 Mrd.) sowie die oben bereits beschriebenen Niveauunterschiede bei den berechneten Spenderquoten gibt es keine vollständig befriedigende Erklärung. Ein Grund dürfte sein, dass vom Spendenrat Einzelspenden von über 2.500 Euro nicht berücksichtigt werden. Außerdem befragen Spendenrat und GfK die Bevölkerung bereits ab einem Alter von 10 Jahren (World Giving Index ab 15 Jahre; SOEP ab 18 Jahre). Die methodischen Unterschiede der wichtigsten Erhebungen zur deutschen Spendenstatistik hat Karsten Schulz-Sandhof, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DZI Spenderberatung, in seinem Fachbeitrag im DZI Spenden-Almanach 2017 näher untersucht.

 

 

Anfang Dezember 2018 wurde für Deutschland erstmals seit 2012 wieder eine Untersuchung über die Geldspenden der Unternehmen veröffentlicht. Der CC-Survey ist eine bundesweite Studie zum gesellschaftlichen Engagement (Corporate Citizenship) von Unternehmen in Deutschland und versteht sich als eine vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. und der Bertelsmann Stiftung angeführte Gemeinschaftsinitiative mit weiteren Partnern. 123.168 Unternehmen wurden in einer nach Firmengröße geschichteten Zufallsstichprobe ab November 2017 postalisch angeschrieben, 120.768 (98 Prozent) von ihnen hat die Umfrage tatsächlich erreicht. Die Rücklaufquote betrug 6,1 Prozent, das heißt 7.368 Unternehmen füllten den Fragebogen zwischen November 2017 und Februar 2018 mit auswertbaren Inhalten online aus. Auf dieser Basis berechnet der CC-Survey, dass vier von fünf Unternehmen Geld spenden, fast jedes zweite (45 Prozent) regelmäßig. Die für das Gemeinwohl gespendete Summe beträgt demnach 9,5 Milliarden Euro im Jahr. Diese Summe bestätigt hinsichtlich ihrer Größenordnung die Schätzung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), die mit einem Geldspendenvolumen der Unternehmen von 8,5 Mrd. Euro im Jahr 2012 Eingang in den Ersten Engagementbericht der Bundesregierung gefunden hatte. Damit liegen die Volumina der Geldspenden der Unternehmen sowie der privaten Haushalte (DZI-Berechnung, siehe oben) praktisch auf gleicher Höhe.

Ein Blick in die 2017 erschienene Studie »Giving in Europe«, herausgegeben von Barry Hoolwerf und Theo Schuyt, zeigt, dass auch in anderen europäischen Ländern das Verhältnis beider Spendenarten ähnlich aussieht. So stehen in Frankreich (Bezugsjahr 2013) 3,4 Mrd. Euro Privatspenden 2,8 Mrd. Euro Unternehmensspenden gegenüber, in den Niederlanden betragen die Summen 1,9 Mrd. Euro und 1,4 Mrd. Euro und in der Schweiz umgerechnet 1,4 Mrd. und 900 Mio. Euro. In Großbritannien dagegen liegt das Spendenvolumen privater Haushalte mit umgerechnet 16,4 Mrd. Euro deutlich höher als die Geldspenden der Unternehmen (2,8 Mrd. Euro).

Auch das DZI hat im Jahr 2018 mit einer Sonderumfrage einen Teilbereich der Unternehmensspenden näher untersucht: Es befragte die 30 Spenden-Siegel-Organisationen mit den höchsten Geldspendeneinnahmen, aus denen sich der DZI Spenden-Index zusammensetzt, nach der Höhe der Geldspenden, die sie in den Jahren 2016 und 2017 von Unternehmen erhalten haben. Das Ergebnis: Die Unternehmensspenden haben an den gesamten Geldspendeneinnahmen der 30 Organisationen einen Anteil von 5 Prozent. Konkret erhielten die 30 Hilfswerke im Jahr 2017 rund 1,3 Mrd. Euro Geldspenden, davon 66 Mio. Euro von Unternehmen. Dieses Ergebnis lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass die Unternehmensspenden überwiegend an kleine und sehr kleine Organisationen geleistet werden. Diese Einschätzung steht auch im Einklang mit den weiteren Ergebnissen des CC-Survey 2018.

 

 

3. Spendenzwecke und Struktur des Spendenwesens

Über die Aufteilung der Spenden auf unterschiedliche gemeinnützige Zwecke gibt die BILANZ DES HELFENS 2018 Auskunft. Sie wurde im Februar 2017 vom Deutschen Spendenrat e.V. und der GfK vorgestellt. Im Jahr 2017 entfielen 77,7 Prozent der Spenden auf die Humanitäre Hilfe, 5,4 Prozent auf Tierschutz, 3,1 Prozent auf Kultur-/Denkmalpflege, 2,7 Prozent auf Umwelt-/Naturschutz, 1,9 Prozent auf Sport und 9,2 Prozent auf sonstige gemeinnützige Zwecke.

Eindeutige Angaben zur Gesamtzahl der Spendenorganisationen in Deutschland gibt es nicht – schon allein deshalb, weil die Bezeichnung »Spendenorganisation« nicht klar definiert ist. Der Mitte 2017 veröffentlichte »ZIVIZ-SURVEY 2017« von Dr. Holger Krimmer, Jana Priemer und Anaël Labigne bietet eine umfassende Bestandsaufnahme der zivilgesellschaftlichen Strukturen in Deutschland im Jahr 2016. Demzufolge gab es im Jahr 2016 in Deutschland 633.922 zivilgesellschaftliche Organisationen:

Eingetragene Vereine 603.886
Stiftungen bürgerlichen Rechts 17.274
gemeinnützige GmbHs 11.440
Genossenschaften
(gemeinnützig, Energie, Soziales)
1.322
Gesamtzahl 633.922

 

Zur Anzahl nicht eingetragener Vereine sowie kirchlicher Stiftungen, die der Zivilgesellschaft ebenfalls zuzurechnen wären, gibt es für Deutschland im Übrigen keine genauen Schätzungen.

 

 

Der Sektor finanzierte sich dem ZIVIZ-SURVEY 2017 zufolge zu 39 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen, 20 Prozent aus selbsterwirtschafteten Mitteln, 19 Prozent aus Spenden, 11 Prozent aus öffentlichen Mitteln, 4 Prozent aus Sponsorengeldern, 3 Prozent aus Vermögenserträgen und zu 2 Prozent aus sonstigen Einnahmen (Abweichung auf 100 Prozent ist rundungsbedingt).

Spenden nehmen alle zivilgesellschaftlichen Organisationen gern entgegen. Aber nur ein kleiner Teil, geschätzt 2.000 bis 3.000, wirbt regelmäßig, systematisch und überregional um Spenden. Rund 1.200 von diesen dokumentiert die Spenderberatung des DZI in unterschiedlicher Intensität, abhängig von der Häufigkeit der ihm zur jeweiligen Organisation zugehenden Anfragen.

 

 

4. Wichtige Ereignisse und Entwicklungen

Die 2010 gestartete »Initiative Transparente Zivilgesellschaft« konnte die Zahl der ihr angeschlossenen Unterzeichner 2018 wie im Vorjahr (31.12.2017: 961) um rund 130 Organisationen erhöhen. Mitte Dezember 2018 haben sich fast 1.090 Organisationen und Einrichtungen zur Veröffentlichung der zehn von der ITZ festgelegten Basisinformationen entschlossen. Dieses niedrigschwellige Transparenzinstrument wird federführend von »Transparency International Deutschland« betrieben und von einem Trägerkreis koordiniert, dem unter anderem auch das DZI angehört. Das DZI unterstützt die Haupt- und Ehrenamtlichen bei Transparency International Deutschland bei der administrativen Umsetzung der ITZ.

 

 


Beitrag im Newsletter Nr. 25 vom 13.12.2018 BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)

Autor

Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI).