Kirchen-Austritte per Steuer bremsen – Konfessionslose zur Kasse bitten – Kulturabgabe statt Kirchensteuer

Jeder Bürger soll zu einer Spende verpflichtet werden, von der eine Kirche oder Organisation profitiert. Katholische Grünen-Politiker nehmen das Motto des diesjährigen Katholikentags in Mannheim offensichtlich besonders ernst und wagen einen “neuen Aufbruch”. Sie wollen das System der Kirchensteuer reformieren und fordern eine “Kulturabgabe” nach italienischem Vorbild. Unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit sollen danach auch Konfessionslose gezwungen werden, eine gewisse Summe an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen.

 

 

Mit der allgemeinen Kulturabgabe wollen die Grünen-Politiker vor allem auch verhindern, dass immer mehr Gläubige die Kirche verlassen. “Ist es sinnvoll zuzuschauen, dass viele Menschen wegen der Kirchensteuer aus unserer Kirche austreten?”, fragen sie in einem Diskussionspapier.

 

Die Idee einer “Kulturabgabe” ist nur ein Vorschlag von mehreren, die die neun Grünen-Politiker in dem Papier “Der Geist Gottes wohnt in uns” vorgestellt haben. Einer der Initiatoren, der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick, sagte “Welt Online”: “Die katholische Kirche muss sich einer Reform-Diskussion stellen.”

 

Es gehe dabei etwa auch um die Frage der Laienbeteiligung, die Gleichberechtigung von Frauen und um einen ökumenischen Dialog mit der evangelischen Kirche.

 

Spendensystem statt Kirchensteuer

 

“Wir wollen mit unserem Papier eine innerkirchliche Debatte anstoßen”, sagte Schick. In der Bevölkerung würde die Sonderstellung der Kirchen bei der Kirchensteuer nicht mehr akzeptiert. Eine “Kulturabgabe” sei eine Möglichkeit, den derzeit oft schon unterfinanzierten gemeinnützigen Sektor zu stärken. Zudem böte ein solches Spendensystem den Menschen mehr Wahlmöglichkeiten als bei der Kirchensteuer.

Auch Kirchenmitglieder müssten dann nicht mehr zwangläufig ihre Kirche unterstützen, sondern könnten eine Organisation oder Initiative frei wählen, die sie fordern möchten. Kirchensteuern wie Spenden sollten weiterhin “steuermindernd” wirken.

 

Verhältnis von Staat und Kirche neu definieren

 

Wie genau das System einer Kulturabgabe aussehen könnte, müsste im Detail noch diskutiert werden, sagte Schick. So müsste etwa festgelegt werden, welche gemeinnützigen Organisationen daran beteiligt werden.

Grundsätzlich fordern sie, “das Verhältnis von Staat und Kirche neu zu definieren”. Sie wollen aber daran festhalten, “dass die Kirchensteuer – egal in welcher Ausgestaltung – über staatliche Institutionen eingezogen werden kann”.

Neben Gerhard Schick gehören zu der Autorengruppe unter anderem der grüne Bundestagsabgeordnete Josef Winkler (Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken), Schicks Fraktionskollegegin Agnieszka Brugger, die Mannheimer Grünen-Stadträte Gabriele Thirion-Brenneisen und Raymond Fojkar, die hochschul- und kirchenpolitische grüne Landtagsfraktionssprecherin Ulrike Gote aus Bayern, die Berliner Grünen-Landesvorsitzende Bettina Jarasch und die ehemalige grünen Staatssekretärin Christa Nickels, die ebenfalls Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist.

 

Jörg Rupp, Mitglied im Parteirat der baden-württembergischen Grünen, kritisierte, dass das Papier zuvor nicht mit den entsprechenden Arbeitgemeinschaften in Bund und Ländern diskutiert wurde. Die Kulturabgabe werde als “Strafabgabe für Nichtangehörige der christlichen Kirchen wahrgenommen”, wie er “Welt Online” über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Viele würden zudem vermuten, dass die Kirchensteuer zwar der Anlass, aber nicht der Grund für Kirchenaustritte sei.

Von Claudia Ehrenstein / Welt